Kuchen im Kofferraum: Vor 50 Jahren begann für den VfL Wolfsburg eine große Abenteuerreise als Gründungsmitglied der 2. Bundesliga Nord

Mannschaft vom VfL Wolfsburg zum Start in die 2. BL-Nord 1974/1975 mit Trainer Imre Farkasinszky re. stehend sowie Manager Günter Brockmeyer li. und Betreuer Franz Harmeling 2.v.li. – hier am 15.08.1974

VfL Wolfsburg. Mit einigen gab es nie mehr ein Wiedersehen. Den 1. FC Mühlheim-Styrum beispielsweise, die Kleeblätter von Rot-Weiß Oberhausen oder auch die SpVgg Erkenschwick verloren die Wölfe völlig aus dem Blick. Auch Wacker Berlin und der FC Gütersloh sollten am Elsterweg nicht gerade Stammgäste werden. Zum ersten und teilweise letzten Mal trafen sich alle in der Saison 1974/1975, als die neue 2. Bundesliga vom Stapel lief. Im frisch eingeführten Unterbau gehörte der VfL Wolfsburg zu jenen 40 Pioniervereinen, die sich im Anschluss an die erfolgreiche WM in Deutschland in der zweigeteilten Spielklasse probierten. Heute vor genau einem halben Jahrhundert ging es für die Elf von Imre Farkaszinski in der Nordstaffel los. 

Fast nur in eine Himmelsrichtung

„Das hat schon Spaß gemacht“, erinnert sich Fredi Rotermund. „Gegen ganz andere Gegner anzutreten, war nicht nur sportlich interessant, sondern oft auch mit lustigen Fahrten verbunden.“ Zumindest ein bisschen waren der VfL-Offensivspieler und die meisten seiner Teamkollegen seinerzeit durchaus schon herumgekommen. Ein paar Jahre zuvor hatte sich Grün-Weiß schließlich in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga versucht und auch im DFB-Pokal dann und wann über den Tellerrand der Regionalliga hinausschauen können. Nun aber lernte sich ganz Fußballdeutschland ein Stück weit neu kennen. Elf Jahre nach dem Start der Bundesliga fusionierten die fünf Regionalligen zum zweigeteilten Unterbau. Die Regionalliga Nord, in der Grün-Weiß seit Jahren zu den Spitzenteams zählte, verschmolz mit den Staffeln West und Berlin zur 2. Bundesliga Nord. In äußerst ungleicher Stärke allerdings, denn unter anderem aufgrund eines komplizierten und lang umkämpften Wertungsschlüssels bestand das Teilnehmerfeld zum größten Teil aus Westklubs. 

Irrfahrt im Bulli auf Straßenbahnschienen

Eine Profiliga war die neue Spielklasse, die vor allem als Auffangbecken für die Bundesliga-Absteiger eingeführt wurde, nicht. Zumindest nicht für die Wölfe. „Viele Konkurrenten, vor allem die ehemaligen Erstligisten, hatten schon Profibedingungen. Wir hingegen sind im Werk arbeiten gegangen und wurden ab 14 Uhr freigestellt. Eigentlich ging die Schicht bis 16.10 Uhr“, so Rotermund, der sich anekdotenreich an die zahlreichen Touren Richtung Ruhrgebiet und Rheinland erinnert. „Wir sind das ziemlich primitiv angegangen, haben uns auf die Bullis verteilt und uns meist an der gleichen Raststätte zur Kaffeepause getroffen. Den Kuchen hatten wir immer selbst dabei“, sagt er lachend. „Auch die Unterkünfte waren recht simpel, eher im Zwei- als im Drei-Sterne-Bereich.“ Nicht vergessen hat der 77-Jährige die Reise zum Auswärtsspiel in Aachen. „Da hat sich einer unserer Fahrer völlig vertan. Plötzlich ruckelte es ganz merkwürdig im Wagen. Der Grund: Wir waren gerade auf Straßenbahnschienen unterwegs.“

Fiese Packung beim Kiez-Klub

Sportlich lief es für die Wölfe, die mit Fritz Schollmeyer und nach ihm Paul Kietzmann während der Saison gleich zwei neue Trainer installierten, nicht gerade rund. Nach ordentlichem Start blieben positive Überraschungen wie ein 2:2 bei Borussia Dortmund die Ausnahme. Grün-Weiß sortierte sich früh unten ein und blieb bis zum Ende unter dem Strich. Den Tiefpunkt markierte ein 2:10 (!) beim FC St. Pauli. „Da stand ich aber zum Glück nicht auf dem Platz“, stellt Rotermund lachend klar. Insgesamt, so sein Fazit, sei Grün-Weiß im anspruchsvollen Teilnehmerfeld zu oft überfordert gewesen, um mithalten zu können. „Wir hatten uns auch kaum verstärkt vor der Saison, daher kam der Abstieg nicht überraschend. Wir haben ziemlich viel Aufwand betrieben für einen mäßigen Ertrag.“ 

Exemplarische Nullnummer

Eine größere Euphorie sei um die Zweitligawölfe insofern auch nie zur Entfaltung gekommen. „Dass uns die Leute die Bude eingerannt hätten, würde man nicht sagen“, berichtet Rotermund und liegt mit Blick auf die Zuschauertabelle der Saison 1974/1975 offensichtlich nicht verkehrt. Für die 19 Heimspiele am Elsterweg ist dort eine durchschnittliche Kulisse von 3.411 Fans notiert. Unter allen 40 Teams der Nord- und Südstaffel rangierte der VfL auf Rang 36. Der Auftakt im Uhlenkrug an diesem Samstag vor exakt 50 Jahren machte auch nicht gerade Lust auf mehr: Im Auswärtsspiel bei Schwarz-Weiß Essen heimsten Ingo Eismann, Karl-Heinz Borutta, Wilfried Ahnefeld und Co. zwar direkt den ersten von am Ende acht Auswärtspunkten ein. Heraus kam aber lediglich ein trübes 0:0.

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