Jahn-HisTORie – mal in-, mal outdoor

JAHN REGENSBURG. Mit Auslaufen der allermeisten Infektionsschutzmaßnahmen, zumindest außerhalb von bestimmten Risikobereichen, können die Stadien wieder voll ausgelastet werden. Es wird sich in den nächsten Monaten und Jahren zeigen, welche mittel- und langfristigen Folgen die Pandemie auf den künftigen Besuch der Fußballstadien in Deutschland hat und irgendwann in der Rückschau sicher auch einmal Thema für die Sporthistoriker und Vereinsarchivare werden.

Längst ist zu der – freilich keinesfalls beendeten – „Seuchenproblematik“ mit dem Strom Geflüchteter aus den Kriegsgebieten in der Ukraine eine weitere Großkrise hinzugekommen. Erinnerungen an die größte Fluchtbewegung aus Osteuropa während und nach dem Zweiten Weltkrieg werden unwillkürlich wach. Insbesondere in Regensburg gab es nach 1945 durch entlassene NS-Zwangsarbeiter, KZ-Überlebende und Kriegsflüchtlinge vorübergehend eine große ukrainische Gemeinde, die sich u.a. in der Ganghofersiedlung im Süden der Stadt organisierte. Die meisten zogen später weiter – nach Westeuropa, die USA oder Israel – andere haben sich in die Regensburger Gesellschaft auf Dauer integriert. Noch größer war der Zuzug aus Böhmen und Schlesien, der zwischen 1945 und 1948 nach Bayern erfolgte. Allein etwa eine Million Sudetendeutsche kamen in dieser Zeit ins Land.

Die Integration dieser Gruppe in die Mehrheitsgesellschaft ist derzeit Thema einer Sonderausstellung in der Bavariathek des Museums der Bayerischen Geschichte in Regensburg. Auf anschaulichen Tafeln, die auch für den Schulunterricht abgerufen und verwendet werden können, wird vor allem die soziale und wirtschaftliche Integration in „Neuanfänge – Heimatvertriebene in Bayern“ thematisiert. Erinnert wird u.a. an die Neugründungen der ursprünglich Karlsbader Genußmittelhersteller „Müller’s Karlsbader“ und „Rehorik“ im Raum Regensburg. Auch das Jahn Archiv konnte einen kleinen Beitrag zur gelungenen Ausstellung liefern mit einem Foto aus dem Jahnstadion der 1950er Jahre, wo Müller – wie noch lange später – mit einer großen Werbetafel seine Verbundenheit mit der neuen Heimat demonstrierte. Ein Großteil der Zuschauerschaft im Jahnstadion stammte damals wie heute deren Nachkommen aus dem „fünften bayerischen Stamm“ und der erfolgreichste Torschütze der Oberliga-Jahre, Josef Hubeny aus Königinhof an der Elbe (Dvůr Králové), ebenso. Dem Haus der Bayerischen Geschichte (HdBG) ist es in seinem Museum in Regensburg wichtig, regionale Aspekte der Sportgeschichte in Bayern auch in der Dauerausstellung noch stärker zu berücksichtigen, wie HdBG-Mitarbeiter Maximilian Brückner dem Jahn Archivar bei einem gemeinsamen Rundgang im Herbst bestätigte. Der freut sich, dass der Historiker und Jahn-Anhänger Brückner dabei auch gerne einwilligte, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Jahn Archivs zu werden.

Dr. Heike Wolter (links) und die von ihr betreuten „Spurensucher“ der Bischof-Manfred-Müller-Schule bei einer Führung durch Jahn Archivar Prof. Dr. Wolfgang Otto (rechts) zu den sich im und am neuen Jahnstadion befindlichen Erinnerungsorten (Foto: Brandl, SSV Jahn Regensburg).

Die Ausstellung in der „Bavariathek“ des HdBG (neben dem Museumsbau am Donaumarkt zu finden) ist noch bis zum 11. September 2022 täglich (wochentags bis 15 Uhr, am Wochenende bis 17 Uhr) zu besichtigen. Auf Dauer und zeitunabhängig steht Interessierten seit kurzem ein Rundgang durch den Stadtwesten auf den Spuren des SSV Jahn zur Verfügung. Es ist eine Art hybride Schnitzeljagd entstanden, die eine Gruppe junger Regensburger Mittelschüler im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft im Herbst/Winter erarbeitete. Die „Spurensucher“, so nennt die betreuende ehrenamtliche Lehrkraft der Projekt-AG, Dr. Heike Wolter, ihre 12- und 13jährigen Schüler der Bischof-Manfred-Müller-Schule, haben ihre Leidenschaft Fußball verbunden mit der Verwendung und Aufarbeitung von historischen Quellen. Erstellt wurde ein so genannter „Actionbound“, mit dem der erst kürzlich als Tutorin einer anderen Jugendgruppe mit einem Bundespreis des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten ausgezeichneten Akademischen Rätin der Universität Regensburg und ihren Schützlingen ein interessanter Rundgang im Regensburger Westen rund um das alte Jahnstadion gelungen ist. Historische Bilder und Informationen, bei deren Akquise der Jahn Archivar gerne unterstützte, finden sich ebenso wie die Möglichkeit zur Interaktion und sein Wissen in Quizfragen unter Beweis zu stellen. Unter der Adresse www.actionbound.com/bound/jahnsportgeschichten kann der Rundgang, der sich in erster Linie an Jugendliche richtet, auf dem Smartphone gestartet werden.

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