DFC Prag

#WEREMEMBER: Der Deutsche Fußballclub Prag

Der DFC Prag gehört zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu den besten Fußballmannschaften Europas. 1939 wurde der jüdisch-deutsche Verein von den Nationalsozialisten aufgelöst, jüdische Mitglieder verfolgt und getötet. 2016 wurde der Verein wieder neu gegründet.

Die Urzellen des Fußballs in der österreichisch-ungarischen Monarchie liegen in Prag und Wien.  1896 entschlossen sich deutschnational gesinnte Juden den „Deutschen Fußballclub Prag“ zu gründen. Die Vereinsfarben sind Blau-Weiß. Der Fußballverein der nicht-jüdischen deutschen Bevölkerung wird hingegen kurzzeitig Germania Prag (1898/99 bis 1903). Der DFC sollte in den nächsten zwei Jahrzehnten zu einer der bedeutendsten europäischen Fußballmannschaften werden (beispielsweise wird Bayern München, bei deren erster Auslandreise überhaupt, 8:0 geschlagen).

Deutscher (!) Vizemeister 1903

Zum Mythos wird der Klub bereits 1903, als er der erste deutsche Vizemeister im Fußball wird. Aber, wie kam es dazu? Die deutsche Meisterschaft wurde bis zur Einführung der Bundesliga 1963 als Pokal regionaler Meister durchgeführt. Der DFC war 1902 Meister des Verbandes der Prager Deutschen Fußball-Vereine und gleichzeitig (!) auch einer der 86 Gründungsmitglieder des DFB im Jahr 1900. Daher war man spielberechtigt.

Bei der ersten Austragung mit sechs teilnehmenden Mannschaften 1903 standen sich die Prager in Altona, damals noch nicht zu Hamburg gehörig, dem VfB Leipzig gegenüber. Allerdings erreichte der DFC kampflos das Finale, weil der Karlsruher FV ein Telegramm aus Prag der Information einer Spielabsage des Halbfinales erhalten hatte. Die Prager warteten hingegen vergeblich am Austragungsort Leipzig auf die Gäste aus dem badischen. Wer das Telegramm geschickt hatte, blieb ungeklärt. Damit aber nicht genug: eigentlich wären beide Vereine schon im Viertelfinale in München aufeinander getroffen. Die Prager hätten das Spiel aber gerne im eigenen Stadion ausgetragen, was aber die Karlsruher beeinspruchten. Auch dieses Spiel fand nicht statt, trotzdem wurden beide Vereine vom DFB für das Halbfinale zugelassen, wo sie wieder gegeneinander antreten sollten …

Das Finalspiel selbst war eine klare Angelegenheit für die Sachsen, die sich mit 7:2 zum ersten deutschen Fußballmeister kürten. Mit der Gründung der FIFA 1904 waren solche „länderübergreifenden“ Meisterschaften im Fußball passé (ganz im Gegensatz zu anderen Sportarten, wo es bis heute international ausgeschriebene Meisterschaften gibt, wie z. B. im Tennis) – man durfte fortan nur mehr an den Meisterschaften seines Herkunftslandes teilnehmen. Der DFC Prag wechselte daher zum österreichischen Verband.

Österreichische und tschechoslowakische Nationalspieler

Aus den Reihen der Prager stammten eine Reihe österreichischer, aber auch tschechoslowakischer Teamspieler. Es gab sogar Spieler, die für beide Verbände aufliefen. Bekanntester Akteur ist sicher der schon erwähnte Robert Merz, der 1914 als einer der ersten Sportler den Kampfhandlungen im 1. Weltkrieg zum Opfer fiel. Robert Cimera, ebenso Wiener wie Merz, folgt mit zehn Teamspielen. Von 1897 bis 1913 – bis auf ein kurzes Intermezzo 1903/04 bei der Vienna – spielte Ladislaus Kurpiel für die Prager, insgesamt 8 Mal für das österreichische Team. Er stand auch im Vizemeister-Team von 1903. Paul Fischl gehörte dem DFC von 1902 bis 1910 als Verteidiger an und spielte drei Mal für Österreich. 1938 emigrierte er nach London. Auch einer der jüdischen Fußballstars der Zwischenkriegszeit spielte kurz für die Prager: Otto Fischer. Er gehörte zur ersten Generation Wiener Profifußballer und trug sieben Mal das österreichische Nationaltrikot. 1941 wurde der später populäre Coach von den Nationalsozialisten ermordet.

Eine besondere Biographie hat Karel Koželuh: Als Mittelstürmer spielte er ab 1914 für den DFC und Sparta Prag, 1919 Trainer beim HASK Zagreb. Danach war er noch für den Wiener AC sowie auch für Teplitz aktiv. 1917 folgt erstmals die Nominierung für die österreichische Nationalmannschaft (4 Spiele, 1 Tor), 1919 lief der Offensivspieler dann auch für tschechoslowakische auf (2 Spiele, 1 Tor). Das wäre für ein Sportlerleben ansich schon genug, wechselte er 1923 noch zum Eishockey und wurde 1925 mit der Tschechoslowakei Europameister. Kozeluhs große Leidenschaft war aber von jeher das Tennis und dass – nach seiner kurzen Eishockeykarriere – sogar professionell! Bereits im ersten Jahr kürte er sich zum Profi-Weltmeister und war nach dem 2. Weltkrieg noch No-Playing-Captain des tschechoslowakischen Daviscup-Teams. Karel Koželuh starb 1950 bei einem Verkehrsunfall. 2006 wurde er in die internationale „Tennis Hall of Fame“ aufgenommen.

Das Ende 1939

Nach Ende des 1. Weltkriegs und dem Zerfall der Donaumonarchie wurde fortan unter dem Dach des tschechoslowakischen Fußballverbandes ein eigener Meisterschaftsbetrieb mit jenen Mannschaften durchgeführt, die dem Deutschen Fußball-Verband für Böhmen (1911 gegründet) angehörten. Bis 1937 gewann der DFC Prag die Austragung zehn Mal.

Der 2016 neu gegründete DFC Prag engagiert sich vor allem in der Nachwuchsarbeit, hier die U9 im Meisterschaftseinsatz © Peer Gröning/DFC Prag

Im Vorfeld des Einmarsches der Deutschen Truppen wurden dem Verein – auch seinen jüdisch-deutschen Mitgliedern – nahegelegt, der nationalsozialistischen Sudetendeutschen Partei beizutreten bzw. jüdische Mitglieder auszuschließen. Spieler und Funktionäre weigerten sich, deshalb wurde der Verein unmittelbar nach Machtübernahme der Nazis als „jüdischer Verein“ verboten bzw. löste sich in Folge selbst auf.

Mitglieder wurden daraufhin von den Behörden verfolgt und in Konzentrationslagern ermordet, dazu gehört auch Fritz Taussig, Spieler von 1930 bis 1934, der 1944 das KZ Auschwitz Außenlager Gleiwitz nicht überlebte. Paul (Pavel) Mahrer, der erstmalig 1923 für den DFC spielte, gehörte 1933 – neben Samuel Schillinger und Torhüter Taussig – zu den Spielern, die aufgrund ihres jüdischen Glaubens beim Gastspiel bei Hertha BSC Berlin wegen der NS-Rassegesetze nicht antreten dürfen. Es gibt aber auch Hinweise darauf, dass die jüdischen Spieler möglicherweise aus Protest gegen die nationalsozialistische Politik nicht gespielt haben. Nach der Zerschlag der Tschechoslowakei im März 1939 wurde Mahrer ebenfalls verfolgt, verhaftet und für ein Jahr in Gestapo-Haft gesteckt. Ebenso wie seine jüngeren Brüder wurde er 1943 ins Ghetto Theresienstadt deportiert, die später im KZ Auschwitz ermordet wurden. Seine Frau und Söhne gelangten 1944 über die Schweiz in die USA. Der jüngste Sohn, Jerome, war Amerikaner. Mahrer selbst wurde dann 1945 aus dem Ghetto befreit und emigrierte 1946 in die Vereinigten Staaten.

Eine weitere Sportlerpersönlichkeit ist Emmerich Rath (1883 – 1962), der ebenfalls beim DFC seine Fußballkarriere begann, später aber vor allem als Läufer und Wintersportler bekannt wurde (dabei immer als Sportler des DFC firmierend). Er trainierte für den Verein auch eine Damenfeldhockeymannschaft und organisierte später eine Abteilung für Geländelauf. Bei den Olympischen Spielen 1908 in London startete Rath im Marathon und im Gehen. 1926 trat er für die Tschechoslowakei bei der Nordischen Ski-WM im Langlauf und der Kombination an. Während der deutschen Besatzung versteckte er (zumindest kurzzeitig zu Kriegsende) den Juden Boris Effenberg und verhalf ihm bei seiner Flucht nach Schweden. 1948 enteigneten die kommunistischen Machthaber Raths Sportartikelgeschäft in Prag, später mittellos, starb er in einem Altersheim.

Neugründung 2016 und Filmprojekt

Am 13. September 2015 kam es in Prag zu einer Neuauflage des Finales von 1903. Die aus Tschechen und Deutschen zusammengestellte Mannschaft spielte somit das erste Spiel des DFC Prag nach 76 Jahren. Am 9. Juni 2016 wurde dann der Nachfolgeverein aus der Taufe gehoben. Besonderes Anliegen des Klubs ist es, einen Beitrag zum toleranten Miteinander und zur Freundschaft zwischen deutschen und tschechischen Kindern und Jugendlichen zu leisten. Mittlerweile gibt es wieder einige Kinder- und Jugendmannschaften im Ligabetrieb. Die sportliche Ausbildung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den drei deutschen Schulen in Prag. Daneben existiert unter anderem auch eine Traditionsmannschaft.

Anlässlich des 125jährigen Gründungsjubiläums 2021 entstand unter dem Titel „Die Legende kehrt zurück“ ein mittlerweile mehrfach preisgekrönter Dokumentarfilm über die Geschichte des Klubs, der „nicht so recht in die stereotype Erzählung der tschechischen Geschichte passt“.

#WEREMEMBER

Wolfgang Gruber

Foto: Die Mannschaft des DFC Prag im Jahre 1904 (Wikipedia, gemeinfrei)

Herzlichen Dank an Thomas Oellermann, den aktuellen Obmann des DFC Prag, für seine inhaltlichen Hinweise und Hilfe!

Vereinshomepage: http://www.dfcprag.com/  

Filmprojekt: https://dfclegendasevraci.eu/  

Der Originalartikel erschien zum Holocaust-Gedenktag 2025 auf der Homepage des GAK 1902: https://www.grazerak.at/

Buchtipp: Alexander Juraske, Otto „Schloime“ Fischer. Ein jüdischer Fußballstar aus Wien. Hentrich & Hentrich. Leipzig. https://www.hentrichhentrich.de/

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